Von der Zettelwirtschaft zum Zettelkasten 7 Jahren ago

Es ist jeden Tag dasselbe Spiel. Ich arbeite mich Buch für Buch vor. Unzählige Post-Its zieren die Stapel von Papier, die sich ihren Weg vom Schreibtisch über den Fußboden bis auf den Nachtschrank bahnen. Schließlich werden die relevanten Textstellen zu einem Word-Dokument zusammengefasst – nach Thema sortiert, oder nach Autor, oder vielleicht auch beides – erst einmal alles festhalten. Strukturiertes wissenschaftliches Arbeiten nennt man das. In der Theorie.

Meine Praxis ist das, was auf den ersten Blick einer Bastelanleitung für einen Zauberwürfel gleicht: Ein 78-seitiges, bunt markiertes Textdokument – bestehend aus Zitaten, Notizen, Kommentaren, Quellenangaben. Nur der rote Faden ist längst zu einem mausgrauen Wollknäuel verblasst, das mein Gehirn bereits zu verstopfen begonnen hat.

Wer wie ich häufig das Gefühl hat, sich buchstäblich zu verzetteln, der sollte sich Niklas Luhmanns Zettelkastenmethode einmal genauer ansehen. Denn beim Erstellen umfangreicher wissenschaftlicher Hausarbeiten stehen hunderttausende Studierende täglich vor denselben Herausforderungen: Es gilt, die Flut an Informationen in strukturiertes Wissen zu zerlegen und dieses Stück für Stück zur eigenen Arbeit neu zusammenzufügen. Wie das berühmte Zettelkastensystem nach Niklas Luhmann funktioniert und warum die Methode die richtige Strategie für effektives wissenschaftliches Arbeiten ist, liest du hier.

Wissen outgesourct – der Zettelkasten nach Niklas Luhmann

Seine Klassikerwerke zur Systemtheorie erschuf der Bielefelder Soziologe Niklas Luhmann auf der Grundlage seines Zettelkastens, den er über 40 Jahre lang fortlaufend und eigenhändig mit Notizen befüllte. Die Idee dahinter war ebenso simpel wie genial. Um seine Gedankengänge zu archivieren, schrieb er sie auf kleine Zettel – nicht größer als eine DIN A6 Karteikarte – und sortierte sie, thematisch geordnet, in einen hölzernen Kasten ein. Inhaltlich verwandte Zettel verknüpfte er über Kombinationen aus Zahlen und Buchstaben. Was nach Ablage klingt, war in Wahrheit eine Innovationswerkstatt. Denn obwohl der Zettelkasten ausschließlich aus Luhmanns eigenen Gedanken bestand, fand er darin immer wieder Neuartiges. Das Betrachten verwandter und nicht verwandter (jedenfalls auf den ersten Blick nicht verwandt geglaubter) Zettel im Zusammenhang brachte ihn stets auf neue Ideen, die er schließlich in seinen sozialwissenschaftlichen Theorien niederschrieb und weiterentwickelte.

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