Teil 1: Die Magie des Zettelkastens 6 Jahren ago

Was ist ein Zettelkasten?

Die Idee des Zettelkastens stammt ursprünglich von dem deutschen Soziologen und Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann (1927-1998). Über vier Jahrzehnte schrieb Luhmann Notizen, Gedanken und Zitate auf kleine Zettel und sortierte diese in ein hölzernes Kästchen ein. Das Besondere daran: Luhmann nutzte einen Code aus Zahlen und Buchstaben, um sein Wissen im Zettelkasten zu strukturieren. Er kennzeichnete und verknüpfte inhaltlich verwandte Zettel und baute die Notizensammlung so stückweise zu einem zweiten Gedächtnis aus, das er fortan als Inspirationsquelle für seine Forschungsarbeit nutzte. Es war diese besondere Form der Wissensorganisation, aus der er die Ideen für seine weltweit bekannten sozialwissenschaftlichen Theorien schöpfte. Noch heute nutzen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die nach Luhmann benannte Zettelkastenmethode als Strukturwerkzeug und Ideengenerator. Insbesondere unter Geistes- und Kulturwissenschaftlern gilt der Luhmannsche Zettelkasten als eine der effektivsten Arten, Forschungsergebnisse zu organisieren und zu verknüpfen. Das Original mit über 90000 ist mittlerweile in der Kunsthalle in Bielefeld ausgestellt

Der Zettelkasten als Innovationshebamme

Die Findung der Innovation im Sinne einer kreativen Eigenleistung, die über den erforschten Inhalt hinausgeht, ist für jede wissenschaftliche Arbeit fundamental. Der Kern von Wissenschaft ist schließlich die Schaffung von neuem Wissen.

In dieser Perspektive formuliert Luhmann wie folgt:

„Wissenschaftliche Publikationen entstehen denn auch nicht, so jedenfalls meine Erfahrung, durch Abschreiben dessen, was für diesen Zweck im Zettelkasten schon niedergelegt ist. Die Kommunikation mit dem Zettelkasten wird erst auf höher generalisierten Ebenen fruchtbar, nämlich auf der Ebene der kommunikativen Relationierung von Relationen.“ (227)

Die abstrakt klingende Ebene der “kommunikativen Relationierung von Relationen” meint im Kern eine Sichtbarmachung von faktischen Zusammenhängen oder inhaltlichen Perspektiven, die vorher so nicht vorherzusehen waren.

Durch die ausführliche und regelmäßige Nutzung wächst der Zettelkasten über seine grundlegende Funktion als Archivierungs- und Planungswerkzeug hinaus und entfaltet sein Potential als „Innovationshebamme“. Er wird somit mehr als nur zu einem Behälter in dem man Wissen hineintut und verwandelt sich in einen kompetenten Gesprächspartners, der entscheidende Anstöße für neue Ideen gibt: 

„Der Zettelkasten gibt aus gegebenen Anlässen kombinatorische Möglichkeiten her, die so nie geplant, nie vorgedacht, nie konzipiert worden waren. Dieser Innovationseffekt beruht einerseits darauf, daß die Anfragen Relationierungsmöglichkeiten provozieren kann, die noch gar nicht traciert waren; zum anderen aber auch darauf, daß sie auf interne Selektionshorizonte und Vergleichsmöglichkeiten trifft, die mit ihrem eigenem Suchschema nicht identisch sind.“ (226)

Diese Magie der „Ideenfindungsmaschine“ zeigte sich bereits durch die analoge Technik von Luhmann – ohne Webapplikation, digitale Suchmaschine und Hyperlinksystem. Was genau die digitale Verwandlung von Luhmanns legendärem Zettelkastensystem emöglicht, erfahrt ihr in unserem nächsten Blogeintrag.

Wer bis dahin schon einmal die Magie selbst erleben möchte, probiert es am besten selbst aus:

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Quelle Bild: Universität Bielefeld/ Ullstein
Literatur: Luhmann, Niklas, Kommunikation mit Zettelkästen. Ein Erfahrungsbericht, in: ders., Universität als Milieu, Bielefeld, 1992.

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